Die Unterfrankenrundfahrt ist vorbei, und in meinem Kopf wirken die vielfältigen Eindrücke noch nach. Trotz bescheidener Wetterprognosen für den ersten Tag war es eine klasse Tour, weswegen zuerst – ganz in der Tradition der früheren Kinofilme – die Credits im Vorspann ablaufen: Mein ganz besonderer Dank geht zuallererst an meine Familie – Margit, Moritz & Emil – die mir solche mehrtägigen Ausreisser zugestehen; dann an Markus und Robert, die mitgefahren sind (Robert leider nur am ersten Tag, da er keinen Brückentag am Freitag nehmen konnte, aber trotzdem den »Vatertag« mit uns gemeinsam geradelt und abends von Partenstein mit dem Zug zurückgefahren ist), und die sich bei der Tour erst kennengelernt haben – die Chemie hat von Anfang an gestimmt (kein Wunder: Radfahren verbindet eben), der Auftakt im Trio war klasse; und an unsere Gastgeber – Eva und Udo in Partenstein (erste Übernachtung), Eva und Jan in Oberwaldbehrungen (zweite Übernachtung): Eure Gastfreundschaft und üppige Bewirtung hat jedem Etappenziel das Sahnehäubchen oben drauf gesetzt, die Gespräche am Abend haben uns Radfahrer auch wieder wunderbar in die Realität zurückgeholt – Danke!

So gings für mich los: Das Rad bepackt – mit Lenkertasche, die ich bereits hatte und die meinen Stauraum doch noch ordentlich erweiterte.

Treffpunkt Marktcafé Brandstetter um 7.45 Uhr – Markus und Robert sind schon da und haben sich bereits miteinander bekannt gemacht.

Markus schlägt einen Zwischenstopp in Urphar vor – nicht wegen diesem absurden Treppenaufgang zu dem hässlichen Häuschen, sondern …

… um die kleine Wehrkirche zu besuchen (10. Jhdt.).

Markus hatte die Kirche angekündigt als »kleinstes Opernhaus der Welt«, womit er nicht ganz unrecht hat.

Nachdem Robert her schon öfters mit dem Rad war, beschließen wir, nicht über den Hügel nach Amorbach zu klettern, sondern über das Tal, an der Bahnlinie entlang. In Wertheim kurze Rast an einer Tankstelle, wir fangen an, an meinem Rad herumzuschrauben, weil es immer spürbarer beim Rollen schlägt: Ein Achter? Rad nicht zentriert? Vorbau zu locker? Wir können den Fehler nicht lokalisieren …

Ankunft Amorbach – die Stadtmitte relativ öde, viel Leerstand, keine Gaststätte zu sehen, und auch auf dem Kastanienfest wird eher Trashfood geboten. Robert ruft seine Schwiegermutter an und bittet um einen Tipp …

… und Robert den Klassiker: Wiener Schnitzel mit Pommes. Um 14.30 Uhr fahren wir weiter, zuerst zurück nach Miltenberg, …

… und von dort in den Spessart ein, der sich hier entlang der ST2441 eher als flaches Tal erweist. Zunehmende Feuchtigkeit und Kühle …

Die Stimmung ist immer noch viel besser, als es dieses Foto erahnen läßt: Stärkung bei Kaffee und gedecktem Apfelkuchen.

Hinter Hessenthal auf der ST2308. Jetzt wird es richtig ungemütlich – ein langer, verregneter Anstieg, und plötzlich macht es »PENG!« und mein hinterer Schlauch platzt. Mitten im Wald, mitten im Regen. Während wir noch debattieren, woher das plötzliche Schlauchplatzen kommen könnte, und den neuen Schlauch einlegen, entdecken wir die Ursache – für das Platzen und für die eierige Fahrerei mit meinem Rad: Die Karkasse an meinem hinteren Reifen ist völlig durch an der Seite, der Schlauch quillt heraus … wir basteln, unterlegen mit Stücken vom alten Schlauch, und ich schleiche mit vermindertem Luftdruck weiter. Schöner Mist! Letztes Jahr hatte ich einen Ersatzmantel dabei, aber weil ich ihn nicht brauchte, fuhr ich diesmal ohne: Fehler! Nie mehr ohne Ersatzmantel auf solche Touren gehen!

Ich fahre noch fast 20 Kilometer mit dem notdürftig geflickten Reifen – natürlich langsam. Kurz vor Partenstein will ich noch einmal etwas nachpumpen, weil immer öfter die Felge durchschlägt – da sehe ich, wie der Schlauch inzwischen an mehreren Stellen hervorquillt. Da hilft auch Pumpen nicht mehr … zufällig (!) kommt genau in diesem Moment unser Gastgeber mit dem Lieferwagen vorbei, auf dem Weg von Aschaffenburg nach Hause. Rad ins Auto und ab nach Partenstein. Puh, welch ein Dussel!

Nachdem Robert mit dem Zug von Partenstein nach Würzburg zurückfuhr, wähle auch ich am nächsten Morgen den Zug – allerdings nur bis Lohr, um mir einen neuen Mantel zu besorgen. Bin übrigens noch 2–3 Kilometer gerollt mit dem Rad, bevor auch der zweite Schlauch in Lohr platzte. Bei einem sehr netten Laden – Speichenbruch – wurde mir geholfen, und so traf ich mich mit Markus wie vereinbart um 10 Uhr am Schloßplatz, bereit für die nächste Etappe.

Wie im Western: Der defekte Mantel geht mit als Beweismaterial – mal schauen, ob ich den noch reklamieren kann …

Kaffeepause in Bad Brückenau, stilecht beim Fahrradmuseum. Es war kühl, wir saßen drinnen, und da war echt der Holzofen an und verbreitete wohlige Wärme.

Blick bei Riedenberg ins Tal Richtung Oberbach – »Ist das dahinten der Kreuzberg?« »Nein, Markus, der ist noch etwas weiter hinten …«

Ich schaue allerdings schon mal rüber, Richtung Hochrhönstraße: Da müssen wir nachher hoch, am Steinwerk vorbei …

… aber davor den letzten Anstieg zum Kreuzberg. Auch diesmal bin ich nicht am Stück hochgefahren, sondern zwischendurch mal zum Schnaufen abgestiegen.

Das Kreuzbergbier ist sensationell, aber: Man kommt hier sicher nicht her, um ein Sterne-Menu zu sich zu nehmen – Markus hadert mit seinem Fisch …

Nach der sehr schnellen Abfahrt hinab nach Bischofsheim wartet auf der anderen Seite der lange Anstieg auf die Hochrhönstraße.

… von der richtigen Stelle aus kann man von den Kühltürmen des AKW Grafenrheinfeld (bei Schweinfurt) über Steigerwald, Haßberge, Grabfeld und Gleichberge bis zum Rennsteig bzw. Thüringer Wald sehen.

Dann: Abfahrt nach Fladungen hinunter. Dort im Freilandmuseum gleich noch einmal Einkehr bei Kaffee und Kuchen.

Anstieg hinter Mellrichstadt – die beiden Gleichberge (Thüringen) bleiben weiterhin die landschaftlichen Orientierungspunkte bis Bad Königshofen.

… und wundern uns, dass hier noch alles für Autos zugänglich ist: wirkt irgendwie gestrig, der Verkehr im Zentrum.

Abzweig in Eltmann: Die Steigerwaldhochstraße war ja ebenfalls eingeplant, zumindest ein Stück weit, …

… aber das Schild flößt mir dann doch Respekt ein: Da geht es für mich und meine Kompaktkurbel nur im Stehen hoch!

Hinter Unterschleichach muss ich kurz laut auflachen – das da vorne ist keine Abfahrt, sondern der nächste Anstieg, …

Die Gesamthöhe ist, verglichen mit der Rhön, eher überschaubar, aber die Anstiege im Steigerwald sind überraschend heftig: kurz und steil.

Hinter Hundelshausen blicke ich zurück zum Steigerwald. Der war, das darf man so sagen, das heftigste Stück der Tour.

Vor uns liegt jetzt das »Flachland«, von Gerolzhofen bis Würzburg wird es keine Grausamkeiten mehr geben.

Vor Gerolzhofen gelingt es mir, vom Radweg aus mal eine etwas andere Perspektive einzunehmen. In Gerolzhofen gönnen wir uns noch ein Eis bzw. Eiskaffee, bevor wir über Volkach nach Dettelbach fahren, von dort nach Kitzingen und dann nach Winterhausen (kleines Absackerbier bei Markus). Richtig ekelhaft zu fahren war die ST2271 von Volkach nach Schwarzach, und im Landkreis Kitzingen – sorry, Ihr Ausnahmen – fahren überproportional viele Vollidioten durch die Gegend. Ist so, und auch meine Beobachtung hier in Würzburg zeigt, dass »KT« am Nummernschild fast immer Garant für Fehlverhalten im Straßenverkehr ist. Schlimm, schlimm, das …

Nach dem Absackerbier bei Markus fahre ich die letzten Kilometer am Mainradweg nach Hause, in den Sonnenuntergang hinein, um 21 Uhr treffe ich zuhause ein.
Statistik
490,85 Tourkilometer
23:24:04 reine Fahrzeit
20,98 km/h Durchschnitt
74,07 km/h max.
4.541 m Anstiege gesamt
127 Ortschaften
Jawoll Jochen – das war echt eine schöne, harmonische Tour und ich kann mich auch nach 1400 Kilometern Italien erneut darüber wundern, in was für einer schönen, grünen und an Kultur reichen Gegend wir leben. Dogmatischer Radfahrer bin ich eh schon, aber auch dieses Mal wurde mir klar: Das Fahrrad ist das Werkzeug für direktes Erleben, direkten Zugang zu Mensch und Natur, für eine Reise ohne inneren und äußeren Schutzpanzer. Besten Dank für die schöne Unterfrankenrundfahrt.
LikeLike
Ich habe zu danken, Markus! Und Pandoras Büchse ist nun offen – Bayern, Deutschland, Europa und die Welt rufen! Wie das allerdings jeweils als Vatertagstour zu bewältigen wäre, weiss ich momentan noch nicht … 😉
LikeLike
Vielen Dank für die ausführliche Fahrrad-Foto-Love-Story! Du hast alles so gut dokumentiert, dass ich fast selbst mitgefahren bin. Schade, dass Ihr auch schlechtes Wetter hattet… aber das gehört wohl in Deutschland eben auch dazu.
Erhol Dich gut!
LikeLike
Hallo Claudia,
freut mich, dass die Schilderung einigermaßen plastisch geraten ist (trotz vieler zu dunkler Fotos).
Schlechtes Wetter: ist relativ – und war in diesem Fall punktgenau (Ort/Zeit) vorhersehbar, Appseidank! Der kaputte Reifen allerdings nicht, und DIESE Kombination aus Regen und Basteln im finst’ren Spessartwalde war nur im Verbund mit den kompetenten Begleitern durchzustehen, alleine wäre ich verzweifelt. Summa summarum hat die Tour – bis auf Schnee – wettermäßig ein ziemliches Spektrum abgedeckt, glücklicherweise das meiste mit Sonnenschein!
LikeLike