… mittlere Runde, die den nicht so prickelnden Namen »nicht Fisch nicht Fleisch« trug (gegenüber der langen »Thüringer« bzw. der kurzen »Nürnberger), aber vom Trackvater als sein persönlicher Liebling unter den drei Routen (grob: 60, 80 oder 100 Km) angepriesen wurde. Aber der Reihe nach …
Beim ersten Bratwurstrace war ich bereits am Start (2020, siehe hier), beim zweiten im Juni 2021 musste ich leider kneifen, da ich am Tag zuvor meine erste Covid-Impfung bekam (bestens vertragen, aber es ist einfach kein kluger Umgang mit dem eigenen Körper, mit so einer frischen Impfung Hochleistung abzurufen – erst wieder 48 Stunden später, aber da war die Wurst natürlich schon längst gegessen). Heuer also endlich wieder Thüringer Wald, und wie sehr ich ihn liebe, lässt sich möglicherweise erahnen am Fakt, dass das BWR 2022 bisher meine einzige angemeldete Teilnahme an einer Gruppenausfahrt war – nicht zuletzt, weil es sich um ein (überschaubares) Ein-Tages-Event handelt, das ohne Gepäck gefahren werden kann.
Plan A war, das lange Wochenende ausgiebig zu nutzen, ähnlich wie beim BWR 2020, und mit dem Rad von Stöppach aus am Freitag anzufahren (ca. 110 Km mit 1.500 Hm), am Samstag teilzunehmen und am Sonntag teilweise oder ganz wieder mit dem Rad nach Stöppach. Zwei Overnighter vor Ort inklusive. Bei der angekündigten Hitze musste ich allerdings Plan B anvisieren: An- und Abfahrt mit der Bahn. Coburg–Gotha etwa gäbs mit weniger als einer Stunde Fahrzeit, mit dem bereits vorhandenen 9-Euro-Ticket (also gratis) in guten drei, manchmal vier Stunden. Aber in den Regionalzügen sind wegen dem Fahrgast-Ansturm häufig die Radstellplätze pauschal gestrichen, wohingegen die 1. Klasse-Abteile darüber in den Doppelstöckern gähnend leer sind – selbst gesehen (Foto unten) bei einer anderen Zugfahrt am Donnerstag von Coburg nach Nürnberg: Ein Witz, der schon nicht mal mehr schlecht ist …
Also (absurderweise) Plan C: Anfahrt am Freitag Abend, Abfahrt am Samstag Abend – mit dem eigenen PKW! So sehr ich das 9-Euro-Ticket auch als Erleichterung (individuelle Mobilitätskosten) oder Stimulus (individuelles Mobilitätsverhalten überdenken) auch begrüße: Langjährige Bahnkunden wie ich, für die das Angebot ein Teil ihres Modal-Splits ist (Kombination Bahn & Fahrrad), haben kein Verständnis dafür, dass nun gerade sie aufgrund der unsicheren Fahrradmitnahme zurückstecken sollen. Dafür reserviert die Bahn weiterhin ganze leere Abteile für … ja, für wen eigentlich?

Na gut: In den sauren Apfel beisse ich halbwegs gerne, denn den zwölf Jahre alten Skoda Fabia Kombi, der beim Haus in Stöppach »dabei« war, fuhr ich auf der Rückfahrt (inkl. Thüringer Wald-Querung und vielen Autobahn-Km) mit exakt 5 Litern (Super) Verbrauch auf 100 Km: Nicht übel.
Ankunft war Freitag gegen 18:45 Uhr, Treff am WoMo-Platz in Bad Tabarz, wo ich auch neben einem Wohnmobil der anderen Teilnehmer:innen mein Biwak aufschlug. Nach einem gemütlichen Abend in mittelgroßer Runde (zeitweise mehr als ein Dutzend vor Ort) und einem Frühstück am nächsten Morgen im Ort (Café Spiegler – Tipp!) gings hoch zur »Deysingslust«, einem Ausflugslokal oberhalb von Bad Tabarz, gegenüber dem Thüringer Wald. Thomas Unger begrüßte alle persönlich und verteilte die Roadbooks mit Hinweisen zur Strecke. Und pünktlich um 9 Uhr ging es auf den Track …




Entspannt ging es los, durch den Ort und den Lauchagrund hoch … räusper … theoretisch, wenn ich auf den Garmin geschaut hätte. Praktisch fuhr ich aber wieder mal im Lemmingmodus mit ausgeschaltetem Hirn anderen hinterher, schob fleißig eine ewig lange Rampe nach oben und bemerkte erst dann (mit den anderen), dass auf dem Navi weit und breit kein Track mehr zu sehen war. Einige warteten noch auf Nachzügler, andere suchten einen Weg nach oben und über Schleifen zum Track. Immerhin wieder ein Schotterweg und fahrbare Steigung – also los. Trotzdem gegrübelt, Garmin und komoot befragt und die beiden vor mir, Rike und Tom, ziehen lassen. Dafür rechts auf einen schmaleren Pfad, der direkt zum Track zu führen schien, bis auf eine kleine Lücke. Diese entpuppte sich als senkrecht abfallende Felswand am Aschenbergstein, der die Baumwipfel unter mir geschätzt um drei bis vier Baumlängen überragte. Immerhin: Ein Foto vor Ort, mit dem Großen Inselsberg in der Nähe des eigentlichen Tracks, brachte mir im »Teamfunk« (Discord-Gruppe) der Teilnehmer:innen anerkennende Worte des Trackvaters …




Es gibt ziemlich am Anfang von »(T)Raumschiff Surprise – Periode 1« die Szene, in der der Rat beschließt, die Surprise zu beauftragen, und sie auf dem Radar sucht. Nach langer Suche entdecken sie die Surprise weitab, irgendwo im Nirgendwo, was mit einem völlig fassungslosen »Wie kann man nur soweit vom Kurs abkommen?« kommentiert wird. Dieser Satz dieser Szene ging mir für den Rest des Tages immer wieder mal durch den Kopf und hat mich jedes Mal aufs neue erheitert … aber nun endlich zurück zum Track: Nach einem ganz kurzen Gedanken an einen der Wander(!)-Wege, die zu dem Felsen hochführten, und wenigen Metern auf selbem, beschloss ich, umzukehren bis zum Schotterweg und den anderen zu folgen, die inzwischen aber allesamt vorbeigefahren waren. So konnte mich niemand davon abhalten, doch via einem verwachsenen Weg, den nicht mal Wanderer ernsthaft in Betracht ziehen würden, Richtung Track abzubiegen. Es ging nach oben, also drohte mir zumindest kein Absturz, den der vorherige Fels war schon echt alpines Gelände. Und dann endlich: Back on Track, hallo Rennsteig, und ab zum Großen Inselsberg – der gar nicht Teil der Tour diesmal war! Oh Mann, wie lange mache ich das schon? Geschnallt habe ich das erst, als ich definitiv am Großen Inselsberg vorbei war – und ein Blick ins Roadbook verriet mir, dass der Checkpunkt 1 (Stempel) diesmal am Kleinen Inselsberg war, an der Bratwurstbude, an der ich noch dachte, dass ich eh gleich am Großen Inselsberg sein würde – und deshalb keine Bratwurst aß und gar nicht an den Stempel dachte. Naja, dann eben am Dreiherrnstein erste Stärkung …




Von dort gings gemütlich im schattigen Wald bei leichtem Auf und Ab Richtung Hohe Sonne, dem nächsten CP. Unterwegs passierte ich die Gruppe um einen verletzten Fahrer aus unserer Tour: Bei der Abfahrt Rahmenbruch, Sturz, Totalschaden am Rad und malträtierte Schulter, Rettungsdienst … aber glücklicherweise ging für den Fahrer die Sache äußerst glimpflich aus: Er wurde direkt mit ins Krankenhaus genommen – und saß schon wieder am Ziel, als ich abends dort ankam. Was für ein Glück! Fotos mache ich in solchen Situationen keine, nach fünf Minuten Aufenthalt und der Gewissheit, dass die Situation vollkommen unter Kontrolle und in guten Händen war (der Sturz lag da schon 30 Minuten oder länger zurück), und ich nicht gebraucht wurde, fuhr ich weiter.




An der Hohen Sonne Bratwurst No. 2 plus Stempel No. 2 (der erste für mich), eine herrliche Fassbrause und das Eintreffen der Helfergruppe (Unfall) kurz bevor ich wieder losfuhr. Dann den restlichen Rennsteig bis Hörschel hinunter und von dort zurück nach Bad Tabarz.









Von Hörschel aus gings die letzten 40 Km zurück zum Start- und Zielpunkt Deysingslust, via EISenach (Achtung: fauler Wortwitz, der bei den Fotos aufgelöst wird), wo ich am Marktplatz wieder auf Rike und Tom traf, die mich dankenswerterweise gut motivierten. Beim fehlenden Wald und der Mittagshitze half mir das enorm – immer wieder leichte Anstiege, aber letztlich gut wegzuradeln. Nur die allerletzten beiden Kilometer, von Walthershausen hoch zur Deysingslust, taten mir dann richtig weh, ich ließ abreissen – 100 Höhenmeter waren das tatsächlich nochmal, versteckt in einer fiesen, weil sehr leicht aussehenden kontinuierlichen Steigung, die alle, wirklich alle meine Körner verschlang, so dass ich tatsächlich mal 50 Meter schob zwischendurch und heilfroh war, endlich kurz vor 18 Uhr mit den beiden (die tatsächlich am Ende der Steigung auf mich gewartet hatten!) im Ziel einzulaufen. Dass da welche von der langen Runde schon seit drei Stunden saßen bzw. schon wieder auf dem Heimweg waren (mit dem Rad zurück nach Bad Kissingen etwa – 120 Km obendrauf), verschweige ich hier diskret. Dafür bestellt ich mir zur Bratwurst No. 3 gleich zwei Halbe dazu – alkoholfreie Radler allerdings, denn ich würde ja noch Auto fahren (müssen).




War wieder ein klasse Event, ich kann es nur empfehlen. Termin 2023 dürfte wieder am zweiten Juni-Wochenende sein – haltet Ausschau, es lohnt sich: bratwurstrace.de
Das ist mal wieder eine coole Geschichte Jochen! Und witzig, besonders die Analogie zum „TRaumschiff Suprise“ 🙂 Ich werde mir für’s nächste Jahr schon mal ne Kerbe im Gürtel machen, klingt auf jeden Fall spannend.
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Sehr gut, Mario … aber hoffentlich reisst der Gürtel nicht wegen der Kerbe, die muss schon deutlich sichtbar sein, denn das BWR gehört für mich nach zweimaliger Teilnahme zu den schönsten Tagesevents. Ein Faible für den Thüringer Wald und ein paar Höhenmeter (was ich bei dir ja voraussetzen kann) sollte man allerdings schon haben … 😉
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