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Rhœn Divide 2022

Die Rhœn Divide wollte ich schon längst mal wieder fahren, der Terminfindung widmete ich aber wenig Aufmerksamkeit … dann kam als kleiner Motivationsschub diese Mail am 19. Juni ins Postfach:

Hallo Jochen, 
habe mich an Deiner zweiten Tour versucht, der Rhön Divide. Der Hammer!!! Das ist Dein eigentliches Meisterwerk, die steht zu Unrecht ein wenig im Schatten von MFG.

Na, wenn das kein Motivationsschub ist! Also mal Anfang August angepeilt – mit Tom war schon vorher vage eine gemeinsame Fahrt angedacht, und tatsächlich konnte er sich den Termin einrichten. Wir starteten am Freitag, 5. August in Bad Hersfeld (hatten uns aber schon in Gemünden im Zug getroffen) und peilten vier Tage an, Finish also am Montag in Gemünden.

Nachfolgend ein Packen Fotos und ein wenig Kartenmaterial – die Originalkarte gibt es als PDF hier. Ich hab daraus vier kleinere Karten gebastelt für die einzelnen Tage, und dazu gibts auch einen Blick auf das jeweilige Höhenprofil. Beide, Karte und Höhenprofil, basieren allerdings auf der allerersten Version 1.0 der Rhœn Divide, daher rühren leichte Ungenauigkeiten beim Überlagern.

Vom Start weg in Bad Hersfeld kurz nach 12 Uhr lief es super und Tom und ich harmonierten ziemlich gut – klar ist auch er ein stärkerer Fahrer als ich, aber er wollte es ebenso wie ich ruhiger angehen – und da er wie ich ebenfalls nicht mehr das beste Gehör hat, kurbelten wir oft still neben- oder hintereinander her, was ich als sehr angenehm empfand, da ich Plaudern beim Fahren wegen meiner leichten Schwerhörigkeit oft ziemlich anstrengend finde.

Zuerst geht es also ca. 15 Km nach Osten, nach Friedewald (Schönes Wasserschloss dort!). Von hier erfolgt der Anstieg zum ersten Berg der Route, dem nördlichsten Rhönberg: Dreienberg (525 m). Der kommt gleich etwas rampig daher, aber nach einer kurzen Schiebepassage am Schützenheim vorbei fährt er sich wunderbar – natürlich auch abwärts, vorbei an der Ruine Dreienburg.

Über die Felder gehts zum Landecker (511 m, keine Fotos gemacht) und von diesem zum ersten Highlight der Tour: Dem Soisberg (630 m) und dem sensationellen Rundblick vom Aussichtsturm auf der Spitze (leider durch trübes Wetter etwas eingeschränkt an diesem Nachmittag). Hier war auch schon die zweite längere Schiebepassage zu bewältigen, aber der Weg zum Gipfel lohnt einfach …

Kurz nach 16 Uhr fahren wir ab, pausieren kurz an der kleinen Tankstelle in Mansfeld und beschließen dort, von Pferdsdorf zum tegut nach Unterbreizbach zu fahren (und den Ulsterberg auszulassen), Proviant für den Abend aufzunehmen und unser Tagesziel Oechsenberg (627 m) direkt anzusteuern. Dort treffen wir gegen 19:30 Uhr ein und machen es uns unterm Vordach der Rhönklub-Hütte bequem. Abendessen, frisch machen und Sonnenuntergang fotografieren (fantastischer Ausblick nach Westen!) – mehr bleibt für heute nicht mehr zu tun, der erste Tag ist mit 61 Km und 1370 Hm ganz gut gelaufen …


Am nächsten Morgen (Samstag) gehen wir es ganz ruhig an – Aufstehen kurz vor 7 Uhr, Tom bereitet uns ein leckeres Rührei, und wir frühstücken gemütlich, bevor wir uns zum Gipfelkreuz (hier ein Keltenkreuz) hochbegeben und den morgendlichen Rundumblick genießen.

Weiter gehts via Dietrichsberg (679 m) sowie Baier (714 m) und Emberg (550 m) zur Emberghütte, wo wir kurz pausieren und angeregt mit einem sympathischen Rennradfahrer plaudern. Von hier geht es erstmal nur bergauf, dafür gibt es im Vorbeifahren Röderburg (691 m), Sachsenburg (721 m), Zellerkopf (694 m) und Steinkopf (694 m), bevor uns der Gipfel des Gläserbergs (670 m) mit seiner Hütte und seinem Kreuz gegen 11:30 Uhr empfängt.

Am Gläserberg rasten wir kurz, inkl. Brotzeit, und nehmen dann die nächste Etappe in Angriff: Hohe Asch (611 m) und Umpfen (701 m), bevor wir nach Kaltennordheim abfahren. Unsere Stimmung ist super – Tom entdeckt viele neue Rhönabschnitte und -ausblicke, und ich freu mich, weil er quasi regelmäßig »kleine spitze Schreie der Entzückung« ausstößt und mir permanent versichert, wie geil diese Tour doch sei. Ja, das ist sie tatsächlich, und wie ich bemerken muss: Zu zweit macht sie mindestens doppelt soviel Spaß als alleine …

Kaltennordheim erreichen wir gegen 14:30 Uhr, mein Pizzarack darf diesmal zwei Pizzen transportieren, und ich nutze den Stop, um meine vordere Bremsscheibe gerade zu biegen: Bei der Abfahrt vom Umpfen hat sie sich ziemlich verzogen (!) und schleift – das muss weg, und tatsächlich bekomme ich die Scheibe wieder soweit gerade, dass die Weiterfahrt ohne Schleifgeräusche gesichert ist.

Nun folgt eine kleine Hitzefahrt im offenen Gelände, via Kaltensundheim geht es hoch zum Ellenbogen (813 m), dabei tüten wir noch Steinkopf (608 m) und Schafküppel (807 m) ein. Am Biergarten Eisenacher Haus ist am Samstag um 17 Uhr … niemand! Überhaupt haben wir heute kaum eine Menschenseele gesehen, absolut ruhiger Tag. Wir zischen zwei alkoholfreie Weizen, statten Noahs Segel (Aussichtssturm) nur einen kurzen Besuch ab, und auf der Abfahrt nach Hilders nehmen wir im Vorbeifahren noch den Buchschirmberg (745 m) mit – gute Gelegenheit für ein kleines Foto von mir, im Hintergrund links die Wasserkuppe.

In Hilders verproviantieren wir uns nachlässig – ich habe mir irgendwie eingebildet, dass wir an der Schutzhütte Milseburg (vor dem Tunneleingang) auf einen Biergarten treffen müssten: Denkste. Nun fragen wir uns durch und fahren vor dem Tunnel bergauf durch die kleinen Dörfer, um letztlich doch am Kühlschrank der Gaststätte Milseburg noch ein paar gekühlte Getränke für den Abend mitzunehmen. Also wird auch der Milseburg-Gipfel (835 m) noch erklommen, kurz vor 21 Uhr sind wir oben und genießen mit mindestens einem Dutzend weiterer den Sonnenuntergang, bevor wir den übelst verblockten Fußweg (!) hinab nehmen und am Bubenbader Stein (759 m) in der Schutzhütte das Tagwerk gegen 21:15 Uhr beenden, nach 73 Km und 1935 Hm.


Am Sonntagmorgen klingelt der Wecker um 6 Uhr – einen Versuch wars wert 😉 – und wir stehen wieder um 6:45 Uhr auf, frühstücken und fahren weiter.

Weiherberg (786 m) und Weiherkuppe (759 m) bieten das Aufwärmtraining für die Schiebepassage, die von Abtsroda hoch folgt. Offiziell wird hier der Radverkehr über den Hochrhönring hoch zur Wasserkuppe geleitet, aber mich nerven einfach die Autos und die häufig zu engen Überholmanöver: Dann lieber senkrecht die Wand hoch geschoben – inkl. einem Getränkebrunnen auf halber Strecke.

Vorbei am Fliegerdenkmal erreichen wir die Wasserkuppe (950 m) gegen 9:30 Uhr, gönnen uns einen kleinen Imbiss und brechen auf, an der Fuldaquelle vorbei zum Roten Moor und von dort via Ulsterquelle zum Heidelstein (926 m).

Vom Heidelstein fahren wir nochmal zum NaBu-Haus und vespern dort, bevor es am Kesselstein (800 m) vorbei hinab nach Gersfeld geht und von dort direkt zur Großen Nalle (768 m) hoch – auch einer meiner absoluten Lieblingsberge in der Rhön. Sehr schön auch der folgende Abschnitt über die Hohe Geis (670 m), bevor es hinab nach Giechenbach geht …

… und eine lange, lange Rampe hoch nach Dalherda, wo wir am Sportplatz nochmal kurz rasten bei Kaffee und Kuchen, Flaschen auffüllen und über die Hohe Kammer (700 m) nach Motten abfahren – mit Blick auf das nächste Etappenziel, die Mottener Haube (Große Haube, 658 m).

Auch hier wird, gegen 17 Uhr, der Aussichtsturm erklommen (und ich kassiere einen Wespenstich), bevor es über die Kleine Haube (593 m) und den Großen Seifig (568 m) hinab nach Speicherz geht, wo wir im Gasthof Bieber einkehren und mal ordentlich was essen. Sehr empfehlenswert.

Der letzte Buckel für den Tag steht an, von Speicherz hoch und über Volkers und Volkersberg (552 m) wieder hinab ins Sinntal nach Bad Brückenau, wo wir an der Tanke noch einen Schlummertrunk einkaufen und dann gemütlich zur Wernarzer Hütte radeln, wo der dritte Tag für uns endet nach knapp 75 Km mit knapp 1700 Hm.

Hier macht sich am Abend doch eine leichte Unruhe breit: Tom möchte am nächsten Tag zumindest gegen Abend noch einen Termin wahrnehmen – und mir schwillt ab 21:30 Uhr plötzlich die rechte Hand dermaßen an, dass ich keine Faust mehr ballen kann und auch eine eher unruhige, schmerzhafte Nacht verbringe. Es wird am nächsten Morgen nicht besser, und so beschließen wir beide, zusammen im Sinntal zu bleiben und ziemlich direkt nach Gemünden zu fahren …


Gesagt, getan: Nach dem Frühstück stoppen wir nochmal kurz an der Auffahrt zum Dreistelz, um ein Brückenbauwerk der Strecke 46 zu bestaunen, biegen aber wieder ins Sinntal ab und folgen dem Radweg bis Gemünden, wo wir gegen 11 Uhr die Tour gemeinsam beenden – nochmal knapp 42 Km und nur 160 Hm – und am Marktplatz noch gemeinsam vespern, bevor Tom ins Auto steigt und ich in den Zug zurück nach Würzburg. Dadurch fehlen leider Dreistelz und Sodenberg, die letzten beiden ordentlichen Anstiege der Tour – ein guter Grund für mich, diese Tour jetzt doch nach Möglichkeit jährlich zu fahren. Mit vier eingeplanten Tagen ist sie bequem machbar – was auch immer jede/r unter »bequem« verstehen mag.


Fazit: Die Rhœn Divide ist schon eine echt gelungene Tour, das muss ich sagen – auch auf die Gefahr hin, dass Eigenlob etwas strenger riecht als Tom und ich nach vier Tagen auf dem Kurs. Die Ausblicke sind fantastisch, die Rhön gibt es hier in allen Facetten, und auch wenn mit dem (bayerischen) Kreuzberg einer der bekanntesten Rhönberge fehlt, so ist die Tour gespickt voll mit anderen Bergen, deren Besuch absolut lohnenswert ist. Ja: Schieben gehört ab und an dazu, wenn ein Gipfel erklommen werden muss, andere Gipfel gibt es dafür in der Abfahrt geschenkt. Einige Schiebepassagen lassen sich umfahren – die Wasserkuppe etwa oder die lange Rampe nach Dalherda hoch (wobei hier locker 10 Km Umweg anfallen würden, allerdings fahrbar). Die Versorgungslage erreichte nie kritisches Niveau, solange bewusst und bei den sich bietenden Gelegenheiten eingekauft wird. Und am Freitag und Samstag waren die hessische und thüringische Rhön dermaßen menschenleer, dass es uns schon beinahe unheimlich wurde zwischendurch.

Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Mal – und danke Tom von ganzem Herzen, dass er so ein duldsamer und unterhaltsamer Begleiter war: Das hat sehr gut gepasst mit uns beiden hier …

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4 Gedanken zu “Rhœn Divide 2022

  1. Hallo Jochen, das hast Du wunderbar beschrieben und bebildert. Macht spontan Lust darauf, das auch zu machen. Ausblicke-Einblicke… Und bei den Bildern von der Wasserkuppe denke ich an meine Segelfliegervergangenheit. Yesterday! Bleib munter und mach weiterhin so schöne anregende Touren

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  2. Hallo Jochen, sehr schöner, detaillierter Einblick. Die Tour stand ja bei mir neben (nicht hinter!) anderen Vorhaben in diesem Jahr auf dem Plan und ist aufgrund sich aneinander reihender Zipperlein (nicht nur meine) fürs Erste verschoben – aber auf keinen Fall aufgehoben! Danke fürs erneute Mund wässrig machen 🙂

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    • Liebe Eva, ich danke nicht nur für die Blumen, sondern freue mich jetzt schon sehr auf deinen (Blog-)Bericht von der Rhœn Divide … 😉
      … aber warte dann lieber bis zum nächsten Sommerhalbjahr, bevor du startest: Es ist wirklich Sightseeing, da sollten die Tage möglichst lang und die Nächte kurz sein – mit erholsamem Schlaf.

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