Und schon ist sie wieder vorbei, die große, mehrtägige Tour mit Franz … aber sie wird noch eine ganze Weile in mir nachklingen, denn die Eindrücke waren vielfältig und zuweilen auch überwältigend (sorry, aber: »isso«). Nicht nur, aber vor allem am letzten Tag, beim Radeln über die schwäbische Alb bzw. an dieser entlang, hatte ich ein wenig Sorge, dass mir womöglich das Dauergrinsen im Gesicht festwachsen könnte.
Ein kurzer Abriss der Tour:
Tag 1 – Von Erfurt nach Münnerstadt über Oberhof/Rennsteig
(144 km / 1.350 Hm)

Los geht’s wie geplant am Sonntag Morgen, um 8.01 Uhr fährt mein Zug von Würzburg nach Erfurt, wo ich um 10.22 Uhr ankomme und auf Franz warte. Der kommt mit dem ICE um 10.47 Uhr, d.h. er muss noch schnell sein Rad zusammenschrauben. Gegen 11.15 Uhr geht es in Erfurt los Richtung Südwesten …

Der ehemalige innerdeutsche Grenzübergang bei Henneberg. Letzter Anstieg, ab hier geht es entspannt bis Münnerstadt, unserer ersten Station.
Tag 2 – Von Münnerstadt nach Rothenburg ob der Tauber
(153 km / 1.170 Hm)

Über Schweinfurt (Kaffeepause) geht es am Main lang, bei Wipfeld nehmen wir die Fähre, die wir sekundengenau erreichen.

In Escherndorf die Qual der Wahl: Dettelbach/Neuses ist doppelt ausgeschildert, mit minimalem Streckenunterschied …

Oben im Weinberg dann ein schöner Ausblick auf die Mainschleife, idealer Ort und Zeitpunkt für ein Panorama.

Ochsenfurt: Als ich neulich hier durch bin, habe ich die halb »weggebissene« Mainbrücke (B 13) schon gesehen, aber nicht fotografiert. Das sei hiermit nachgeholt. Danach weiter über Gaubahnradweg und Taubertal …

… zu unserer zweiten Station in Rothenburg ob der Tauber. Während ich die englische Übersetzung neben der Eingangstüre studiere, bilde ich mir ein, von irgendwo her den ersten Hit von Roxette zu hören 😀
Tag 3 – Von Rothenburg ob der Tauber nach Ulm
(158 km / 1.000 Hm)

Dienstag, heute geht es von Rothenburg bis Ulm, mit stündlichem Blick auf die Wetter-App, denn von Westen schiebt sich eine massive Regenwand heran. Ob das gut geht? Vorerst erfreue ich mich an dieser opulenten Beschilderung …

In Crailsheim: Bildung für alle! Zum Mitnehmen. Naja, bei näherer Betrachtung des Sortiments (wie zu erwarten: viele Simmel-Schinken) relativiert sich das mit der »Bildung« wieder.

Oberkochen ist komplett geprägt von Carl Zeiss (West), Franz weiss mehr über diesen Aspekt der deutschen Industriegeschichte als ich.

Noch ein nettes Kunstwerk, in Heidenheim oder Herbrechtingen. Wird sich am Ende des MIV-Wahns ganz Deutschland in ein einziges großes Museum für moderne Kunst verwandeln? …

Ulm erreichen wir am frühen Abend, dort hat es offensichtlich stark geregnet – wir haben keine 5 Tropfen abbekommen. Glück gehabt!
Tag 4 – Von Ulm nach Tuttlingen Mühlheim an der Donau
(157 km / 980 Hm)

Der Mittwoch gehört ganz dem Donauradweg, den wir von Ulm aus nehmen und dem wir bis zum Abend folgen.

Bei der Mittagspause in Munderkingen entdeckt Franz zuerst dieses kleine Wandgemälde am Rathaus – und nein: Hier wird kein Brot geschmiert und in den Mund geschoben. Ach, unsere Vorfahren: Man muss sie einfach gerne haben …

Ein Knaller des Tages, neben dem immer malerischer werdenenden Donautal, ist das Schloss in Sigmaringen. Schon im Gegenlicht beeindruckend, aber kaum sind wir darum herumgefahren, müssen wir wieder anhalten und fotografieren, …

Imposant wird nun langsam auch der Donauradweg, der nur noch sporadisch Teer bietet, aber immer noch ganz gut zu fahren ist. Eine sehr schöne Ecke ist das hier (von Thiergarten zur Neumühle hin), ich bekomme Lust, hier auch einmal entspannt zu wandern.

Tja, aber die Rumpelpiste fordert nun ihren Tribut: Zwei Plattfüsse bei mir, innerhalb nicht mal einer Stunde, erst vorne, dann hinten – das wirft uns etwas zurück im Zeitplan, und so fahren wir schließlich nicht mehr bis Tuttlingen, sondern kehren 8 km vorher bei Franz‘ Verwandtschaft in Mühlheim an der Donau ein, wo wir (unangemeldet) nicht nur eine ordentliche Brotzeit, sondern auch Dusche, Nachtlager und Frühstück bekommen. Und eine sehr angeregte Unterhaltung am Abend.
Tag 5 – Von Mühlheim an der Donau nach Basel (Franz) bzw. Stuttgart (ich)
(145 km / 1.590 Hm)

Der Donnerstag ist der finale Tag der Tour – und wir trennen uns nach wenigen Kilometern in Tuttlingen: Franz radelt weiter nach Basel in südwestlicher Richtung, ich biege ab nach Norden, Richtung Stuttgart, meinem Tagesziel. Nach dem ersten Anstieg hoch justiere ich nochmal die Höhenmeter am Sigma an dieser Stelle, denn …

… es sind zwar nur sehr wenige Wellen, ich fahre meistens mit dem großen Blatt, das alles aber oberhalb von 900 m. Auf der Alb zwischen Tuttlingen und Böttingen, …

Der Abzweig vor der Abfahrt nach Böttingen, ich pausiere und rufe meinen Vater (in der Rhön) an, Vatertag anwünschen – und kann ihn wieder einmal verblüffen mit meiner Antwort auf seine Frage, wo ich gerade stecke 😉

Leider habe ich das Weitblick-Panorama oberhalb von Böttingen nicht fotografiert – das hier gibt nur schwach wieder, welche tollen Ausblicke sich mir an diesem Tag immer wieder bieten.

Mittlerweile befinde ich mich westlich von der schwäbischen Alb, diese bleibt jedoch landschaftlich absolut dominierend, …

Bei Zimmern überlege ich sogar, ob es jetzt nicht Zeit für einen klitzekleinen Schlenker wäre, aber das würde mich mindestens eine Stunde kosten, und ich will Stuttgart unbedingt vor 19 Uhr erreichen, da die Zugverbindung nur alle zwei Stunden erträglich ist (aber auch da mit 2,5 Stunden Fahrzeit bis Würzburg eigentlich eine Zumutung, und das mit RE).

In Tübingen halte ich nur ganz kurz, dann schaffe ich mich langsam, aber sicher nach Stuttgart vor. Teilweise nicht schön zu fahren (MIV-Dominanz, keine Radwege). Ab Leinfelden-Echterdingen lotst mich glücklicherweise ein ortskundiger Radler bis Möhringen, und die Abfahrt von Degerloch nach Stuttgart runter ist ein echter Spass zum Schluss der Tour. Ich erreiche den HBF in Stuttgart rechtzeitig, um Ticket und noch ein wenig Proviant zu kaufen, dann geht es gemütlich zurück nach Würzburg, wo ich um 21.25 Uhr am Bahnhof ankomme.
Zusammenfassung (1.–5. Mai 2016) …
756,93 Kilometer gesamt
34:12:58 reine Fahrzeit
6.095 Höhenmeter gesamt
… und ein paar Gedanken mehr:
1. Die Stimmung
Die Stimmung war an allen Tagen sehr gut, nicht nur bei mir. Lediglich die Übernachtung in Ulm im Doppelzimmer wurde ein wenig getrübt durch eine Schnarchattacke meinerseits (Rückenlage, verdammt!), worauf mich Franz am nächsten Morgen freundlich hinwies. Wie mir das leid tat! (Die Nacht vorher, in Rothenburg, konnte ich wohl die fatale Rückenlage vermeiden …). Wir haben wirklich viel Zeit mit Plaudern und Gesprächen verbracht, unterwegs auf dem Rad, abends beim Essen und den kleinen Spaziergängen, die wir jeweils unternommen haben, und morgens beim Frühstück. Wir waren wohl beide nicht ganz sicher, wie das so wird mit uns, aber ich spreche hier mal für mich: Ich fand das sehr angenehm. Und es gab immer wieder auch Gelegenheiten, hintereinander her zu fahren und seinen eigenen Gedanken nachzugehen …
2. Das Wetter
Ich Weichei! Zwei Tage vor dem Start habe ich bei Franz angefragt, ob er wirklich bei jedem Wetter fahren will – das permanent schlechte Wetter hatte mich doch sehr verunsichert, und auch die Prognosen waren nicht eindeutig gut … aber nachdem klar war, dass zumindest die große Sauerei ausbleiben würde und höchstens der Dienstag verregnet sein könnte, sah ich dem auch gelassener entgegen. Die Gummijacke war dabei, wobei ich sie nie als Regenschutz, aber als Windstopper/Isolierjacke täglich in Gebrauch hatte, die ersten vier Tage gegen Abend, am fünften Tag morgens über die windige schwäbische Alb. Sonnencreme hatte ich keine mit – am letzten Tag ein Fehler …

Die »negative« Uhr (links): Bräunung am Handgelenk zwischen Handschuh und Jackenbund.
Die fehlende Sonnencreme am letzten Tag, den ich fast durchgängig mit Sonne von hinten radelte, konnte auch die Overknee-Bib nur bedingt ausgleichen.
3. Gepäck
Die neue Apidura-Tasche: Wie konnte ich nur? … so lange ohne diese geniale Tasche touren! Die ist wirklich super und hat mich absolut begeistert. Zwar ist das Packen im Vergleich zu meinen Toppeak-Taschen etwas anspruchsvoller, aber das System überzeugt mich restlos: Keine Träger o.ä., die am Rad verbaut werden müssen, dazu ein sympathisches Packmaß (17 l) und keine nennenswerten Einschränkungen beim Fahrgefühl. Mag sein, dass die schwere Satteltasche beim Wiegetritt bergauf etwas wackelt, aber das fällt nur denjenigen auf, die dann hinter mir sind – und dann wohl mit anderem beschäftigt sind als ästhetischen Urteilen über mein »Hinterteil«.
4. Navigation
Für mich läutete diese Tour die Rückkehr zur analogen Papierkarte ein, definitiv. Hatte ich mich bisher meist mit komoot oder sonstigen digitalen Helferlein orientiert, jedoch nicht immer befriedigend, so hatte ich diesmal im Vorfeld sämtliche Streckenabschnitte als Radkarten eingekauft. Anbieter sind bikeline und kompass – bikeline bieten die m.E. besseren Karten, da die eingezeichneten Radwege auch qualitativ (Teer oder kein Teer) abschätzbar sind, kompass bietet die vollständige Flächenabdeckung (während bikeline noch arge Lücken hat, leider) und unterschiedliche Maßstäbe. Dazu aber in einem anderen Beitrag mehr …
5. Die Portionierung
150 Kilometer am Tag sind wirklich bei mehrtägigen Touren genug und bieten ein sehr gutes Verhältnis zwischen Vorankommen und Pausieren, Schauen und Wegradeln. Was nicht heisst, dass man an nur einem Tag nicht auch mal wieder die 300 Kilometer (etwa Würzburg–München) anvisieren sollte. Aber im Dauerbetrieb war das Tagespensum ganz gut, das hätte noch eine ganze Weile so weiter gehen können … 😉
Hat dies auf VeloKick.net rebloggt und kommentierte:
Eine wunderbare Rennrad-Tour, die zur Nachahmung anregt.
Die Gepäcklösung gefällt mir sehr, mehr würde ich auch nicht mitnehmen wollen. Für mich als Freizeitradler ist das üppige Tagesetappen, bevor ich so eine Tour angehe, muss ich wohl noch etwas trainieren, Sitzfleisch, Nacken und natürlich und besonders die Kondition.
Ganz toller Beitrag von Dir, schön bebildert, geradezu ein Musterbeispiels, ich bin mächtig begeistert.
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Danke für die »Blumen« … fotomäßig wäre natürlich die Tour mit der Ghost am Lenker ein Bildband geworden, aber der Platz war von der Tasche belegt. Da muss ich mir noch mal Gedanken zu machen …
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Na immerhin hast Du viele Stopps für die Fotos gemacht und das bedarf ja immer der Abstimmung mit dem Reisepartner, der vielleicht an anderen Stellen halten möchte. Manchmal sieht man aber auch erst hinterher, dass man vielleicht gerade wieder stoppen müsste, weil nun die Perspektive noch besser ist. Nee wirklich, ganz toller Beitrag. Auf dem Level bin ich noch lange nicht, aber gerade wegen mal Split oder gar Feldwegen, ich würde da vielleicht eher den Cyclocrosser nehmen, die Reifen können einfach mehr ab und die Gänge sind etwas kürzer übersetzt. Vielleicht sollte ich da mal ganz klein beginnen, mal die Lahn entlang oder so, 3 Tage oder so. Schauen wir mal, aber Lust bekomme ich jetzt.
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Ähm, tja, das mit den vielen Stopps ist so eine Sache … das geht eigentlich oft ganz gut mit einer Hand, ohne Stopp … aber laut sagen darf man das ja nicht 😉
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Mit einer Kompaktkamera in der Lenkertasche vorstellbar. Trinken während der Fahrt ist auch Trainingssache, manche ziehen auch die Weste oder Regenjacke an oder aus, ich raue mich das nicht, kann auch nicht freihändig fahren, mit keinem Rad, traue mich das nicht und brauche es auch nicht, muss dann eben stoppen. Trinken während der Fahrt auch nur, wenn gefahrlos möglich.
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Danke für den gefühligen Bericht. Das macht Lust, diese Strecke auch mal in Angriff zu nehmen. Und wenn Du das Entenwackeln der Apidura eingrenzen willst: Einfach einen Tragegurt zusätzlich durch die Sattelstreben und dann unter der Tasche durchziehen-fest anzurren. Dann wackelt nichts mehr. Das mache ich bei meiner Viscacha auch so.
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Danke für den Tipp – aber vielleicht sollte ich eher daran arbeiten, meinen Hüftschwung an »das Entenwackeln« anzupassen? So als kleine Lockerungseinheit zwischendurch? … 😀
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Hallo Jochen, ein schöner Bericht einer schönen Tour. Und die Fotos erst. Mein Favorit sind die verbrannten Wadln. Ja und natürlich die Flussradwege. Glückwunsch zu den vielen Hm. Da habt Ihr Euch ja echt nix geschenkt. Tapfer! Viele Grüße aus München, Alexandra
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Dankschön auch! Die Wadln jucken immer noch – und hoffen darauf, neben Deinen vielleicht den einen oder anderen Kilometer in Bewegung zu sein. Wir bleiben in Kontakt, ich verfolge Deine Tour … und steh‘ dann hoffntlich irgendwo am Wegesrand 😉
Viel Spass und einen guten Start wünsche ich Dir aber schon mal vorab.
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Klasse-Tour…
Den Abschnitt aus dem Werratal über Henneberg, Münnerstadt kennen wir von unserer Flensburg-Garmisch-Tour 2014. Wunderschöne Gegend
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Flensburg–Garmisch? Na, da gab’s bestimmt allerhand zu sehen! So eine Nord-Süd-Tour komplett durch D steht auch auf meiner Wunschliste …
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Lohnt sich auf jeden Fall – am Besten von Nord nach Süd fahren, dadurch steigern sich die landschaftlichen Höhepunkte und man radelt am Ende euphorisch stundenlang auf die Alpenkulisse zu 😉
Falls es interessiert – Bericht ist hier
http://radelnder-uhu.jimdo.com/radtouren/2014/flensburg-garmisch/
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Andersrum wär’s ja auch langweilig: Man fährt mit der Seilbahn die Alpen hoch, steigt aufs Rad und lässt es bis zum Meeresspiegel hinab rollen –
oder habe ich da etwas topografisch noch nicht ganz verstanden … 😉
Den Bericht schaue ich mir mal in Ruhe an, wie überhaupt das ganze »gefiederte« Blog!
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